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Ein Nachmittag in der Stiftskammer


Ein Museumsbesuch in der Stiftskammer Freckenhorst im Sommer? Warum nicht? Bei Sonnenschein empfängt den Besucher angenehme Kühle, bei Regen schützt ihn ein festes Dach. Und vor allem: Wenn er die Bronzetür mit dem schönen Knauf, dem von Heinz Georg Bücker geschaffenen, unter einer Narrenkappe lachenden Gesicht, aufdrückt, tritt er in eine Wunderwelt ein.

„Kostbarkeiten aus 1000 Jahren“,  so bezeichnet der seit 2015 vorliegende Katalog zu Recht das, was in dieser vor der mächtigen Stiftskirche  etwas hingeduckten  Petrikapelle  auf den Besucher wartet. Das älteste Objekt ist eine mehrfach von Kunsthistorikern analysierte Pergamenthandschrift mit den vier Evangelientexten aus dem Ende des 10. Jahrhunderts.  Sie trägt nach einem lateinischen Widmungsgedicht den Namen der Auftraggeberin, Evangeliar der Emma, und ist mit den Bildern der schreibenden Evangelisten und wunderschön verzierten Anfangsbuchstaben, so genannten Schmuckinitialen, versehen.

Darüber blicken uns aus einer kleinen Wandvitrine zwei Löwenköpfe aus Bronze an. In ihren Mäulern tragen sie Ringe, die unschwer erkennen lassen, dass es sich um „Löwenkopf-Türringe“ handelt, mit denen man das Portal der Stiftskirche öffnen konnte, nicht etwa das der gegenwärtigen Stiftskirche, die 1129 geweiht wurde, sondern das des Vorgängerbaus. Solche Türringe mit  Löwen als Abwehrsymbolen des Bösen kennt man  aus großen romanischen Domen, etwa in Hildesheim oder Mainz, aber es gab sie eben auch in Freckenhorst, und sie künden damit von der frühen Bedeutung der Stiftskirche.  Was sie besonders wertvoll machen, sind die eingravierten lateinischen Verse. Sie lauten in deutscher Übersetzung: „Jesus Christus, König der Könige, lasse das gläubige Volk, das zum Gebet diese Pforten durchschreitet, in das Himmelreich eingehen.“ Eine Bitte und ein Segensspruch zugleich, der Christus als Weltenherrscher  benennt und die burghafte Kirche, in die die Menschen aus ihren niedrigen Hütten eintraten, als einen Vorhof des Himmels erleben ließ.

Gleich neben dem Eingang  übersieht man leicht eine ebenfalls kleine Wandvitrine mit einem fragmentarischen Sandsteinkopf. Erst bei näherem Hinschauen entdeckt man, dass er mit einer fein ziselierten Bügelkrone geschmückt ist. Forschungen zu diesem mehrfach in großen Ausstellungen zur Kunst und Geschichte des Mittelalters ausgestellten Objekt haben ergeben, dass es sich um den Königskopf des späteren Kaisers Lothar III von Süpplingenburg (1075-1137)handelt. Lothar III.  war eng mit dem Landesherrn, dem Bischof Egbert von Münster (1127-32) verbunden. Sein steinernes Antlitz  diente wohl als Wandvorlage an einer herausgehobenen Stelle der Freckenhorster Kirche und vertrat „in effigie“, im Bild, den abwesenden Kaiser als Schutzherrn des Glaubens und der Kirche.

Gold und Silber, vasa sacra, heilige Gefäße, leuchten uns aus mehreren anderen Vitrinen in der Stiftskammer entgegen. Sie alle haben nicht nur kunstgeschichtlich einen hohen Wert, sie sind auch Zeugnisse des Glaubens und der Gottesverehrung vergangener Jahrhunderte, und darüber hinaus könnte jeder Gegenstand eine eigene Geschichte erzählen. Mehrfach begegnet uns der Heilige Bonifatius, der Schutzherr von Kirche und Stift Freckenhorst. Am glanzvollsten in einer großen Vitrine an der Stirnseite der Kapelle als eine vollplastische Silberbüste, gestiftet 1692 von der Stiftsdame Anna Catharina von Neheim. Nicht so auffällig, aber aus einer gleichwohl bemerkenswerten Geschichte hervorgegangen, grüßt der vor einer Rundbogennische stehende Bonifatius in bischöflichen Gewändern aus einer Vitrine auf einem  in unseren Gegenden sehr seltenen Fahnengemälde. Um die goldfarbene Rahmung herum sieht man noch die grob herausgeschnittene rote Seide des Fahnentuches. Welche Geschichte steckt dahinter? Im Jahre 1851 wurde in Freckenhorst  das 1000jährige Bestehen des Klosters und Stiftes gefeiert. Wohl aus diesem Anlass ließ der damalige Dechant Schulte zwei große Prozessionsfahnen mit in der Mitte auf Leinen aufgemalten Ölbildern mit Motiven der Gründungsgeschichte Freckenhorsts anschaffen, so wie man sie im Alpenraum in fast allen Kirchen kennt und bei Prozessionen mitführt. Waren sie zu groß, wußte man später nicht, wo man sie während des Kirchenjahres abstellen sollte? Wir wissen es nicht. Jedenfalls wurden sie eines Tages rücksichtslos aus den seidenen Fahnentüchern herausgeschnitten und verschwanden zusammengerollt in einer Schublade. Daraus befreite sie der Förderkreis Stiftskammer 2001, ließ sie restaurieren und sorgte dafür, dass sie in der Stiftskammer wieder zu sehen sind. 

Man merkt, dass man interessante Sommerstunden im Museum Stiftskammer in der Petrikaelle Freckenhorst verbringen kann. Der große Katalog ist im Gemeindebüro und in einschlägigen Fachgeschäften erhältlich. Besucher sind nicht nur zur regelmäßigen Öffnungszeit an Sonntagnachmittagen willkommen. Nach Anmeldung im Pfarrbüro steht ihnen auch ein Mitglied des Förderkreises zu Einzelführungen zur Verfügung.

Klaus Gruhn 

 

Ein Nachmittag in der Stiftskammer1
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